Scheinselbstständigkeit als VA und Freelancer vermeiden
In diesem Artikel klären wir, wie man Scheinselbstständigkeit vermeiden kann und welche Kriterien für Freelancer und insbesondere Virtuelle Assistenten für die Scheinselbstständigkeit gelten.
Als selbstständige Virtuelle Assistenz oder als Auftraggeber gibt es neben der Aufgabenverteilung auch einige rechtliche Themen, mit denen man sich bei der Beauftragung und im Laufe der Zusammenarbeit beschäftigen sollte.
Dazu gehört auch das Thema Scheinselbständigkeit. Um eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, ist es wichtig, die Kriterien für zu kennen und sich entsprechend abzusichern. In diesem Artikel gehen wir auf diese Punkte ein und haben uns einen Experten an Bord geholt. Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, beantwortet uns die wichtigsten Fragen rund um dieses Thema.
Doch beschäftigen wir uns zunächst mal mit den allgemeinen Informationen und der Definition von Scheinselbstständigkeit.
Was bedeutet Scheinselbständigkeit überhaupt und warum ist das Thema so wichtig?
Eine Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn eine erwerbstätige Person als selbständiger Unternehmer auftritt, obwohl sie von der Art ihrer Tätigkeit her zu den abhängig Beschäftigten (Arbeitnehmern) zählt.
Also wenn ein Freelancer eigentlich gar nicht selbstständig arbeitet sondern wie ein Arbeitnehmer beschäftigt wird und somit sozialversicherungspflichtig wäre. Als Selbstständiger ohne abhängiges Arbeitsverhältnis stehen, ist man nicht verpflichtet Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungen abzuführen. Ebenso müssen keine Beiträge zur Sozialversicherung geleistet werden.
Um also zu vermeiden, dass sich Unternehmen durch die Beschäftigung von Selbstständigen einfach nur die Sozialversicherungskosten sparen wollen, gibt es das sogenannte Statusfeststellungsverfahren um Scheinselbstständigkeit zu entdecken.
Die Konsequenzen einer festgestellten Scheinselbstständigkeit sind für Auftraggeber und Freelancer finanziell gravierend. Insbesondere die Beiträge zur Sozialversicherung sind nachzuzahlen. Dabei ist die Haftung des scheinselbständigen Auftragnehmers auf die letzten 3 Monate beschränkt. Für den Auftraggeber fällt die Nachzahlung jedoch für die gesamte Dauer der Scheinselbständigkeit an, bei Vorsatz sogar bis zu 30 Jahre. Auch eventuell zu wenig gezahlte Lohnsteuer muss von beiden Parteien nachgezahlt werden. Damit wird deutlich, warum man den Vorwurf der Scheinselbständigkeit vermeiden sollte.
Wer prüft, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt?
Die Überprüfung kann entweder selbst beantragt werden oder bei Verdacht vom Finanzamt oder der Rentenversicherung veranlasst werden.
Eine freiwillige Prüfung auf Scheinselbstständigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung kann ein Selbstständiger beantragen, wenn er den begründeten Verdacht hat, dass durch seine Arbeitsbedingungen eine solche vorliegt. Diese Prüfung wird Statusfeststellungsverfahren genannt.
Wenn das Finanzamt oder die Rentenversicherung den Verdacht hat, muss der Selbstständige mit einer Betriebsprüfung rechnen. Vor einer solchen Prüfung sollte man sich in jedem Fall Rat von einem Anwalt einholen.
Sollte eine Scheinselbstständigkeit festgestellt werden so müssen sämtliche Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden. Außerdem kann der Selbstständige den Arbeitnehmerstatus einklagen.
Was sind die Kriterien für Scheinselbstständigkeit?
Die Feststellung erfolgt immer individuell und wird in jedem Fall einzeln geprüft. Der Entscheidungsprozess ist häufig sehr komplex, vor allem da die die alten Kriterien nicht immer zu den neuen, digitalen Arbeiten und Aufgaben passen.
Entscheidend ist bei der Beurteilung immer das Gesamtbild der Zusammenarbeit. Dabei gilt es vor allem herauszufinden ob ein Auftrags- und nicht ein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Es gibt einige Kriterien für Selbstständigkeit bzw. eben Scheinselbständigkeit. Dabei ist aber nicht ein bestimmtes Kriterium oder die Summe der Kriterien entscheidend für die Entscheidung, sondern das Zusammenwirken und das Gesamtbild.
Merkmale für Scheinselbstständigkeit können sein:
- Tätigkeit für nur einen Auftraggeber.
- Die Einnahmen kommen zu 5/6 von einem Auftraggeber.
- Der Auftragnehmer ist Weisungsgebunden v.A. in Bezug auf Zeit, Inhalt und Ort der Tätigkeit.
- Es werden Feste Arbeitszeiten vorgegeben.
- Der Auftragnehmer ist fest in Prozesse und die Infrastruktur des Auftraggebers integriert.
- Es werden feste Bezüge gezahlt und es besteht Urlaubsanspruch und / oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
- Der Auftragnehmer war früher Arbeitnehmer des Auftraggebers.
- Der Auftragnehmer ist Einzelunternehmer und beschäftigt keine eigenen Angestellten.
- Der Freelancer hat keinen eigene Unternehmensauftritt nach außen
- Die regelmäßige Teilnahme an internen Briefings und Meetings des Auftraggebers
Bedingungen die für eine Selbstständigkeit sprechen:
- Der Auftraggeber hat freie Ortswahl und macht seine eigene Zeitplanung
- Es besteht eine eigene Betriebsstätte
- Tätigkeit für einen Auftraggeber werden von eigenen Angestellten ausgeführt
- Der Auftragnehmer ist für mehrere Auftraggeber parallel tätig
- Der Auftragnehmer bestimmt Urlaubszeiten und Arbeitszeiten selbst
Wie kann ich Scheinselbstständigkeit vermeiden?
Die Vermeidung der Scheinselbstständigkeit ist vor allem durch das Beachten der oben genannten Kriterien möglich. Dabei ist immer jeder einzelne Kunde und die Arbeitsbedingungen zu prüfen. Gerade in der modernen Arbeitswelt und den vielen verschiedenen Aufgaben als Virtueller Assistent, gibt es so viele Varianten dass immer der Einzelfall betrachtet werden muss. Zu den genaueren Fragestellungen für Virtuelle Assistenten, haben wir uns an den Experten Dr. Ronald Kandelhard gerichtet:
Fragen an Dr. Ronald Kandelhard
Frage: Ein Kriterium für die Scheinselbstständigkeit ist “Die feste Integration in Prozesse und sonstige Infrastruktur des Auftraggebers”. Was genau kann man sich darunter vorstellen? Gerade als Virtuelle Assistenz ist es ja unvermeidbar in Prozesse integriert zu werden, denn sonst könnte man ja viele Aufgaben nicht ausführen.
Antwort: Für virtuelle Assistenten liegt die Einbindung oder feste Integration erstmal klassisch garnicht vor, weil die Infrastruktur vor allem örtlich gemeint ist. Das heisst es geht darum, dass man am Ort des Auftraggebers tätig ist. Also ins Unternehmen muss, vielleicht gar die Anwesenheit stempeln muss und dort seinen Arbeitsplatz hat und in ein Team integriert wird und jemandem unterstellt wird. All das sind klassische Teile der festen Integration.
Für virtuelle Assistenten liegen diese Merkmale eben grundsätzlich erstmal nicht vor. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft auch mehr virtuelle Einbindung oder Integration in Prozesse geben wird, aber noch ist das meines Erachtens nach nicht der Fall. Bei diesem Kriterium sollten Virtuelle Assistenten also in der Regel nicht betroffen sein.
Frage: Vor allem zu Beginn der Selbstständigkeit haben viele Freelancer ja zunächst nur einen Kunden. Gibt es hier eine gewisse Zeitspanne, die man einhalten sollte um weitere Kunden zu finden?
Antwort: Mit den weiteren Kunden kann man eigentlich nur sagen Je schneller desto besser. Eine bestimmte Zeitspanne gibt es nicht. Es gibt sicher Verständnis dafür, dass man am Anfang nur einen Kunden hat und wenn man dokumentieren kann, dass man aktiv weitere Kunden sucht, sollte das ausreichen.
Frage: Mein Kunde möchte mich als Teil seines Teams auf seiner Webseite zeigen. Ist dies dann bereits ein Zeichen für Scheinselbstständigkeit?
Antwort: Meines Erachtens nach ist das kein Zeichen für eine Scheinselbstständigkeit. Das heisst nur, dass man ständig zusammenarbeitet. Wenn aber alle anderen Kriterien nicht erfüllt sind, dann ist das sicherlich in ordnung.
Frage: Wann sollte ich Statusfeststellungsverfahren durchführen?
Antwort: Von Statusfeststellungsverfahren kann man eigentlich nur abraten. Man kommt dabei meist nur in Teufels Küche. Die Prüfung erfolgt durch die Rentenversicherung, die natürlich ganz andere Interessen hat und auch meist wenig Verständnis für Virtuelle Berufe hat. Davon sollte man also eigentlich immer absehen.
Frage: Was, wenn bei mehreren meiner Kunden Kriterien für die Scheinselbstständigkeit zutreffen? Ich also bei mehreren Kunden in die Prozesse eingebunden bin?
Antwort: Mehrere Kunden sind ja gerade ein Ausschlusskriterium für die Scheinselbstständigkeit. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass man sozusagen zwei Arbeitsverhältnisse hat und wenn man bei zwei Auftraggebern vor Ort wäre, könnte es kritisch werden. Aber gerade die nur virtuelle Tätigkeit und dann auch noch für mehrere Kunden, sollte relativ zuverlässig helfen die Kriterien auszuschließen. Wer als Virtuelle Assistenz eine Webseite hat, Kunden sucht, immer mal wieder andere Kunden hat und nirgendwo vor Ort ist und ganz fest eingebunden ist, der ist eigentlich einigermaßen gut raus.
Aber es ist eben immer eine Frage des Einzelfalls, also immer die Kriterien beachten und möglichst vielen eben nicht erfüllen.
Frage: Wie kann ich mich als VA oder auch als Auftraggeber absichern? Helfen bestimmte Verträge?
Antwort: Es helfen auf jeden Fall Verträge. So gibt es beispielsweise bei easy Contracts den Vertrag für Virtuelle Assistenz. Wer als VA solche Verträge oder AGB verwendet zeigt damit schonmal, dass er selbst als eigenständiger Unternehmer am Markt auftritt, das ist ein Kriterium zum Ausschluss der Scheinselbstständigkeit. Wichtig ist aber: nicht der Vertrag entscheidet, sondern wie tatsächlich die Zusammenarbeit durchgeführt wird. Allein der Vertrag hilft nicht aber ist fast unabdingbare Voraussetzung für die Vermeidung der Scheinselbstständigkeit.
Vielen Dank an Dr. Ronald Kandelhard für die Antworten zum Thema Scheinselbstständigkeit als Virtuelle Assistenz. Weitere Infos zum Thema Scheinselbstständigkeit und anderen Rechtsfragen finden sich auf seinen Webseite: easyRechtssicher.de
Fazit: Das Thema Scheinselbstständigkeit ist für beide Parteien also Auftraggeber und Freelancer wichtig. Mögliche Fehler sollten direkt zu Beginn der Zusammenarbeit bereits bei der Vertragsgestaltung vermieden werden. Als Virtuelle Assistenz fallen die typischen Arbeitsbedingungen und Arbeitsbereiche nicht unter die Kriterien für Scheinselbstständigkeit. Es ist aber jeder Einzelfall zu prüfen und beide Parteien sollten sich immer wieder über die Kriterien informieren.